05.06.2018 campus-leben

kws-abend

mit leif greinus und axel von ernst

Wie in jedem Berufsschulkurs am mediacampus frankfurt bekamen auch die Auszubildenden des 203. Blocks Gelegenheit, die Kurt Wolff Stiftung kennen zu lernen. Das klingt möglicherweise nach Routine. Da aber jedes Mal zwei andere Verlage, die zur Stiftung gehören, auf den Campus kommen, sind die Abende immer sehr abwechslungsreich und gehören zu den Highlights des gesamten Veranstaltungsprogramms. Das gilt auch für den Abend des 5. Juni, an dem knapp 30 angehende Buchhändler und Medienkaufleute in die Piper-Lounge gekommen waren, um etwas über die kleinen, unabhängigen Verlage in der Bundesrepublik zu erfahren.

Aus Dresden war Leif Greinus, Vorstandsmitglied der KWS und einer der beiden Verleger von Voland & Quist, erschienen. Ihn begleitete Axel von Ernst, ebenfalls Teil eines Verlegerduos, vom Lilienfeld Verlag aus Düsseldorf. Von Anfang an entspann sich eine dialoghafte Vorstellung der Stiftung und der beiden Verlage. Voland & Quist, gegründet 2004, hat seit seiner Gründung daraufgesetzt, das Bühnengefühl von Lesungen in Bücher zu transportieren und legt vielen Titeln aus dem Verlagsprogramm eine entsprechende CD bei. Neben diesem Lesebühnenschwerpunkt finden sich im Programm viele junge Autoren aus Osteuropa. Bezeichnend für den Charakter der Abendveranstaltung, stellte jedoch nicht Greinus seine Spitzentitel vor, sondern Ernst übernahm dies und sprach über seine Lieblingsbücher aus dem Programm seines Verlegerkollegen.

Der seit 2006 bestehende Verlag Lilienfeld setzt schwerpunktmäßig – aber nicht ausschließlich – auf die Wiederentdeckung (nahezu) vergessener Autoren und Titel aus dem 20. Jahrhundert. Schon im ersten Programm des Verlags 2007 setzten Axel von Ernst und seine Partnerin auch auf bekannte Autoren. So waren der umstrittene Geschichtsphilosoph Oswald Spengler (1880-1936) und Punk-Musiker Peter Hein (*1957) ebenso vertreten wie der Literaturkritiker Paul Kersten (*1943). Im Programm finden sich eine Reihe von Werken des fast vergessenen Schriftstellers Franz Hessel (1880-1941), Vater des Diplomaten und Widerstandskämpfers Stéphane Hessel (1917-2013). Hessels Milieuschilderungen des Berlins der 1920er Jahre in dem ursprünglich 1927 veröffentlichten Roman «Heimlicher Besuch» sind noch heute sehr lesenswert. Gleiches gilt auch für den ebenfalls fast gänzlich in Vergessenheit geratenen Autor Karl Friedrich Borée (1886-1964). Der Rechtsanwalt Borée, dessen literarisches Debut erst 1931 veröffentlicht worden war, hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine «ehrliche Literatur» gefordert, die sich mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit beschäftigen müsse. Selbst umgesetzt hat er dies in seinem Roman «Frühling 1945», der im letzten Jahr bei Lilienfeld neu veröffentlicht wurde. Am Beispiel Borées konnte Axel von Ernst darüber hinaus zeigen, dass es mitunter einen erheblichen Rechercheaufwand bedeuten kann, die Rechteinhaber vergessener Titel ausfindig zu machen. Neben seiner verlegerischen Tätigkeit war Ernst einer der Initiatoren des unabhängigen Buchpreises Hotlist 2009 und betreut seither diesen Preis.

Zum Schluss konnten Greinus und Ernst noch mit einem seltenen Einblick aufwarten. Demnächst möchte Ernst bei Voland & Quist einen literarischen Titel veröffentlichen. Die Verhandlungen für den Verlagsvertrag wurden kurzerhand in der Piper-Lounge geführt, sodass die Auszubildenden eine Vorstellung bekommen konnten, welche Konditionen – Rabatt, Zahl der Belegexemplare, E-Book-Fassung etc. – bei Verträgen eine Rolle spielen und wie die Interessenlagen von Autoren und Verlagen aussehen. Nach anderthalb Stunden endete die spannende KWS-Veranstaltung. Axel von Ernst hatte den Schülern darüber hinaus eine Auswahl von Titeln als Leseexemplare mitgebracht. Wir danken Leif Greinus vom Verlag Voland & Quist, Axel von Ernst vom Verlag Lilienfeld und der Kurt Wolff Stiftung für den gelungenen Abend und die schönen Leseexemplare.

Mehr aus dem Bereich campus-leben