Wie die Buchbranche zu mehr Diversität und Sichtbarkeit beiträgt
Und was es mit Neopronomen, Own Voice Autor:innen und Labeling auf sich hat
Am Donnerstag, den 26.01.2023 konnten ca. 70 Schüler:innen am Campus an einer interessanten Veranstaltung zum Thema Diversity in der Verlagswelt und Buchbranche teilnehmen. Im Gegensatz zu typischen Frontalvorträgen zu festen Themen haben die beiden Vortragenden Marie Weber und Rahel Schmidt vom Droemer Knaur Verlag aktiv einen Austausch zwischen Verlag und Buchhandlung gefördert und einigen Input vom Campus mitgenommen.
Eine kurze Begriffsdefinition vorab: Diversität an sich bedeutet Vielfalt bzw. Vielfältigkeit. In der Buchbranche bedeutet das, Mehrdimensionalität zu fördern und Stimmen von marginalisierten Themen hörbar zu machen. Mitunter gehören dazu folgende Bereiche: LGBTQIA+, mentale Gesundheit, (moderner) Rassismus u.v.m. Die Debatte rund um George Floyd und den damit einhergehenden gesellschaftspolitischen Wandel im Jahr 2020 führte zum großen Durchbruch für das Thema Diversität und hat in den Verlagen auch zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit der Thematik geführt.
Der Droemer Knaur Verlag bietet eine Bandbreite an queeren und diversen Büchern an, die vor allem an die Zielgruppe der jungen Erwachsenen gerichtet ist. Einige bekannte Titel sind u.a. Royal Blue, I kissed Shara Wheeler, One Last Stop und viele mehr. Das Hauptaugenmerk des Abends lag daher auch bei YA/NA-Büchern. Hierbei ist der Roman «Der Hexenzirkel ihrer Majestät- das begabte Kind» von Juno Dawson insbesondere thematisiert worden. Das begabte Kind spielt in einer Hexenwelt am Ende eines Kriegs in London und ist wie eine Antwort an J.K. Rowling, die zuletzt für ihre Aussagen zu marginalisierten Gruppen in den sozialen Medien kritisiert wurde. Dieser Titel führte direkt zum Austausch über das Nutzen von Neopronomen in Büchern. Für Verlage sind diese eine Herausforderung, da es hier keinen allgemeinen Standard gibt. Im Englischen benutzt man «they/them», eine direkte Übersetzung ist Deutsche gibt es nicht. Optionen hier sind sier oder dey/deren, die eingedeutschte Variante. Autor:innen und Verlage lösen dies unterschiedlich.
Weiterführend zu Pronomen sind Own Voice Autor:innen ein grundlegender Bestandteil von Diversität in der Buchbranche, um Repräsentation zu stärken. Sie schreiben über Inhalte, die sie selbst kennen oder erlebt haben. Im Wesentlichen geht es um Authentizität, Realismus und darum, den marginalisierten Gruppen eine Stimme zu geben. Eine queere Liebesgeschichte wird so beispielsweise von einer queeren Person geschrieben. Unser Meinungsbild zur Frage, ob Own Voice wichtig für eine Kaufentscheidung ist, war ganz klar – ja, es ist wichtig, da hier realistische Erfahrungen beschrieben werden, aber kein alleiniges Ausschlusskriterium.
Thematisiert wurde ebenfalls, wieso diverse Bücher überhaupt wichtig sind und was genau man mit ihnen eigentlich bezwecken möchte. Hierbei ist das wichtigste Argument mehr Repräsentation zu schaffen. Dies kann sowohl bei den angesprochenen Gruppen als auch bei der Gesellschaft an sich einen positiven Einfluss haben. Aber auch Ziele wie die Normalisierung von Themen, die uns umtreiben, sind wichtig. Bücher können helfen, eigene Fragen zu ergründen und mehr über sich selbst und andere herauszufinden. Man kann sich in die Welten flüchten, in denen man sich wohlfühlt. Das große Ziel ist, insgesamt ein Wechsel von heteronormativen hin zu queernormativen Büchern, bei denen das Thema Diversität einfach als normal gesehen wird. Diverse Bücher sollen für jede:n Leser:in da sein und nicht nur versteckt auf einem Regenbogentisch rumliegen. Denn für gesellschaftlichen Wandel ist es notwendig, dass vor allem Menschen, die sich bisher nicht mit diesen Themen auseinandergesetzt haben, genau damit konfrontiert werden.
Labeling bzw. generelles Kennzeichnen queernormativer Bücher führte ebenfalls zu einer großen Diskussion. Im Idealfall wären diverse Themen gar nicht redenswert – sie sind es aber leider doch. Die große Problematik hinter dem Labeling ist zum einen, dass Personen, die diese Bücher lesen sollten, es mit einem Label nicht machen würden. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Leser:innen, die genau diese Bücher suchen, also queere und queernormative Bücher, diese aber ohne eine Kennzeichnung nicht finden. Habt ihr Ideen, wie man das geschickt lösen könnte? Meldet euch mit euren Einfällen gerne bei den Social-Media-Kanälen von Droemer Knaur, ein guter Austausch ist Ihnen sehr wichtig.
Vielen Dank an Droemer Knaur und die beiden Vortragenden Marie und Rahel, dass ihr uns so eine fantastische Veranstaltung geboten habt zu einem wirklich wichtigen und faszinierenden Thema. Wir sind natürlich nicht ganz leer ausgegangen und haben eine Kostprobe des Verlagsprogramms erhalten. Für die schönen Leseabende ist bei uns also gesorgt!
Luisa Beckmann, 226. Block