Ihre gemerkten Veranstaltungen

Die Avantgarde
im Verlegen
wiederentdeckter
Schriftstellerinnen

Am 7. März 2024 war die Kurt-Wolff-Stiftung (KWS)digitaler Abendveranstaltungsgast am Mediacampus. Als bedeutender Akteur der Buchbranche, die Kurt-Wolff-Stiftung ist die Interessensvertretung der unabhängigen Verlage, ist die Stiftung in jedem Abendveranstaltungsprogramm vertreten. Diesmal eröffnete sie den Veranstaltungsreigen des 232. Berufsschulblocks. Und das mit wunderbaren Gästen: Für die KWS war diesmal Vorstandsmitglied Daniels Beskos dabei, zugeschaltet aus Italien, wo sein mairisch Verlag sich auf die diesjährige Frankfurter Buchmesse – Gastland Italien – einstimmt.

Die Kurt-Wolff-Stiftung, benannt nach dem legendären expressionistischen Verleger (u.a. Franz Kafkas und Heinrich Manns) macht sich für die unabhängigen Verlage stark. Über 100 Verlage versammeln sich im Freundeskreis der KWS, eine Auswahl präsentiert sich im Katalog der Stiftung, der jedes Jahr zur Frankfurter Buchmesse erscheint.
Das aktuell wohl bedeutendste Projekt der KWS ist der Kampf für eine strukturelle Verlagsförderung, wie es sie in unseren Nachbarländern zum Teil schon gibt, doch in Deutschland bislang noch fehlt, zumindest für Buchverlage, andere Kulturinstitutionen erhalten öffentliche Gelder.
Gedacht und dringend gebraucht wird diese Förderung, um die Bibliodiversität der Buchbranche zu bewahren, die unabhängigen Verlage zu unterstützen, ihre Arbeit zu ermöglichen, die von den Krisen der vergangenen Jahre gebeutelt ist.

Welch wunderbare, wichtige, den gesellschaftlichen Diskurs prägenden, formende und dabei bequem im Sessel konsumierbare Arbeit in den unabhängigen Verlagen entsteht, dafür ist der AvivA Verlage dessen Verlegerin Britta Jürgs an diesem Abend neben Daniel Beskos ebenfalls zu Gast war, ein herausragendes Beispiel.

Britta Jürgs war aus ihrem Verlagsbüro zugeschaltet, das eine beeindruckende Kulisse bot für ihre Vorstellung des AvivA Verlags. AvivA – bitte mit großem A vorne wie hinten – ist Mitglied im KWS-Freundeskreis und erhält in diesem Jahr gemeinsam mit dem mikrotext Verlagden Kurt-Wolff-Preis – herzlichen Glückwunsch an beide Verlegerinnen!

AvivA veröffentlicht seit 1997 (ganz kurz also bevor Bundeskanzler Schröder vom «Ministerium für Familien und Gedöns» dröhnte, Gedöns = Frauen für alle Nachgeborenen) Literatur von Autorinnen mit Schwerpunkt auf weiblichen Stimmen der 1920er Jahre und jüdischen Autorinnen. Aber auch Sachbuch, Biographien und Reiseberichte erscheinen im Programm von AvivA.
Weibliches Schreiben und die (Wieder-)Entdeckung von zu Unrecht vergessenen Autorinnen ist im aktuellen Literaturbetrieb en vogue; Britta Jürgs und ihr AvivA Verlag sind die Avantgarde dieser begrüßenswerten Entwicklung.

Wie kam es zur Verlagsgründung Ende der 1990er Jahre? «Um die Bücher zu machen, die mir gefehlt haben», sagt Britta Jürgs. Und das gilt weiterhin: Autorinnen und Künstlerinnen sind immer noch viel weniger präsent als ihre männlichen Kollegen.

Das erste Buch in Ihrem Programm war ein Zufall: Alice Berends Roman «Die Bräutigame der Babette Bomberling», der in diesem Jahr in neuer Ausgabe wiedererscheint. Sie sei beim Stöbern im Antiquariat an dem auffälligen Titel hängengeblieben, habe reingelesen und sei begeistert gewesen. Begeisterung ist bis heute Britta Jürgs‘ Nonplusultra beim Aufstöbern neuer Titel für das AvivA-Programm. «Die Erste, die begeistert sein muss, bin ich», sagt sie.

Und so haben über die Jahre viele Autorinnen Britta Jürgs begeistert und eine verlegerische Heimat bei AvivA gefunden: Lili Grün, Lessie Sachs, Nellie Bly, Ruth Landshoff-Yorck, Luise F. Pusch, Ruth Rehmann (der im jüngst erschienen Buch «Einige Herren sagten etwas dazu» von Nicole Seifert das Eingangskapitel gilt), Virginia Woolf (die wohl bekannteste Autorin im Programm) und zuletzt Christine de Pizan mit ihrer spätmittelalterlichen feministischen Utopie «Die Stadt der Frauen».
Anderthalb Personen (nach großzügiger Schätzung durch die Verlegerin), eine Handvoll freie Mitarbeiterinnen und ein Netzwerk von Unterstützer:innen und Freund:innen, das Britta Jürgs immer wieder auf neu zu entdeckende Autorinnen hinweist, umfasst der AvivA Verlag, dem zu wünschen ist, was der Verlag für Autorinnen leistet: stetige Entdeckung.

Liebe Britta Jürgs, lieber Daniel Beskos – habt vielen Dank für den wunderschönen Abend, wir lesen uns!